In den hellen Räumen lichten Seins – Und ewig braucht’s die Müllabfuhr

Minimalismus ist ja eine sowohl mentale als auch praktische Angelegenheit. Praktisch zu minimieren ist eine tolle Sache, wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat und das gute Gefühl kennt, das sich einstellt, wenn man Dinge endlich losgelassen hat. Das Hochgefühl ist umso grösser, weil wir ja eigentlich eher dazu neigen, an Dingen – und Menschen – in unserem Leben festzuhalten. Wir sind ja eher grosse Bewahrer und nur bedingt Veränderer.

Und genau hier passiert für den Minimalisten etwas Tolles. Der spürt nämlich, dass die Eigenheit, Dinge bewahren zu wollen und aufzuheben, eine der grössten Bremsen ist, die uns im Leben begegnen. Wenn wir uns aber erst einmal daran gewöhnt haben, Dinge loszulassen, spüren wir, wie gut uns das tut, wie frei es uns macht und wie Raum für Veränderung geschaffen wird. Und wir spüren ausserdem, wie ganz und gar unwichtig so vieles von dem ist, womit wir uns Tag für Tag umgeben. Im Gegensatz dazu, wir wir uns gegenüber Menschen verhalten sollten, darf die ausgegebene Marschrichtung gegenüber Dingen ruhig etwas drastischer ausfallen, etwa im Stil von: Was nichts für mich tut, kommt weg.

Gehen Sie einmal durch Ihre Wohnung und prüfen Sie alle Dinge, die Sie so täglich umgeben auf ihren “Nährwert”. Und Sie werden herausfinden, dass einiges darunter ist, das schon lange nichts mehr für Sie tut, sondern Ihnen nur auf der Tasche liegt, und von Ihrem Lebenskonto ständig sinnlos Zeit und Energie abbucht. Im Gegensatz dazu, was uns beigebracht worden ist, gilt es zu beachten, dass nicht nur Lebensmittel abstehen. Auch Gedanken und Dinge stehen ab. Ja: Wir selbst stehen auch ab und werden ranzig, wenn wir uns nicht ständig erneuern.

Nicht krampfhaft natürlich. Auch die Jagd nach Neuem kann zu einer Sucht werden und verläuft schliesslich doch so oft im Nirgendwo. Zwischen Neuem und Erneuerung ist ein Unterschied. Es geht hier viel mehr um Erneuerung im Sinne einer Reinigung. Wenn wir Überflüssiges aus unserem Leben entfernen, dann gestalten wir die Räume, in denen Wesentliches Platz finden kann. Und das Wesentliche ist nicht zwingend neu. Es ist einfach nur wesentlich, fühlt sich weniger flüchtig an und hat mehr Tiefe. Unbedeutende Dinge, die uns keinen guten Dienst leisten, sind sehr oberflächlich. Sie sind eigentlich nur da, sie liegen herum, sie sollten irgendwann mal abgestaubt werden, und liegen ansonsten wieder herum, bis sich der Puder der Zeit erneut auf ihnen abgesetzt sein. Aber seien Sie ehrlich: Wie viel Zeit in Ihrem Leben wollen Sie wirklich als Abstauber verbringen – natürlich jenseits des Fussballplatzes? Die besten Pässe in die Tiefen unseres Lebens spielen wir auf einem Spielfeld, das wir auch überblicken, und das uns auch die Räume dafür lässt.

Damit wir Dinge, für die wir ja meist einmal Geld ausgegeben haben loslassen können, muss sich zunächst in uns die Einsicht breit machen, dass uns das in hohem Masse frei macht. Das Immer-mehr-haben-wollen-Programm muss der Lust am Loslassen weichen. Es muss uns ein Bedürfnis werden, Dinge aus unserem Leben zu entfernen. Erst wenn uns der Sinn des ganzen klar vor Augen steht, werden wir auch die Kraft aufbringen, der Einsicht Taten folgen zu lassen. Denn es kostet Kraft und fordert aktives Handeln, sich zu verschlanken und loszulassen. Ihre Handlungsenergie wird ohne Einsicht zu gering sein. Sie müssen wissen, was Sie da tun. Und Sie müssen es wirklich wollen.

Und dann legen Sie los. Gehen Sie durch die Räume Ihres Lebens und machen Sie Luft. Dazu vielleicht ein paar praktische Tipps, die Ihnen helfen, das umzusetzen. Vieles, was Sie loswerden wollen, können Sie oft nicht ganz unmittelbar entsorgen. Bestimmen Sie daher einen Ort, an dem Sie an einer Art Zwischenstation erst einmal alles zusammentragen, was entsorgt wird. Darunter werden Sachen sein, die Sie wirklich nur wegwerfen wollen und Sachen, die Sie vielleicht verkaufen möchten, oder auch Dinge, die Sie vielleicht einer bestimmten Person oder Familie in Ihrem Umfeld geben möchten. Wichtig ist, dass Sie die Dinge erst einmal von ihren angestammten Plätzen wegnehmen. Das wird Ihnen unmittelbar ein gutes Gefühl geben und Sie werden schnell fühlen, um wie vieles besser das Raumgefühl ohne Überflüssiges in Ihrem Umfeld wird. Machen Sie aber weiter und führen Sie das einmal Begonnene zu Ende. Widmen Sie sich den Sachen, die Sie zusammengetragen haben, dann wirklich und entfernen Sie sie gänzlich aus Ihrem Leben. Führen Sie Ihr Werk wirklich zu Ende. Natürlich ist dieser Abschluss relativ. Die regelmässige Müllabfuhr gehört in jedes Haus. Aber mit der Zeit werden Sie ganz automatisch ein Gefühl für Überflüssiges entwickeln und es gar nicht mehr im gleichen Masse anhäufen. Ich habe bei mir inzwischen Automatismen entwickelt, so dass ich mich bei jeder neuen Anschaffung fast automatisch frage: Was kommt dafür weg?

Wenn wir minimieren und uns auf das Wesentliche in unserem Leben besinnen, schaffen wir damit für uns stets auch die grösste Fülle. Das verlangt Mut und ein hohes Mass an Selbstbewusstheit. Denn der Blick aufs wirklich Wesentliche verlangt, dass wir uns wirklich ins Gesicht sehen und uns mit uns selbst bewusst auseinandersetzen. Und das tut auch weh. Der innere Weg eines bewussten Lebens ist vom Spiegel, den er in Ihrem Lebensumfeld zeigt, nicht zu trennen. Wer sich selbst nicht über den Weg traut und sich nicht mit sich auseinandersetzt, wird sein Leben immer wieder mit Unwesentlichem zuschütten, um der Auseinandersetzung mit sich aus dem Weg zu gehen. Wer aber die Auseinandersetzung mit sich nicht scheut, wird die Klarheit innen wie aussen schliesslich schätzen und lieben lernen. Heller wird’s einwandfrei, wenn uns weniger im Weg steht.

Have a great day…and a good life!

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